Die dunkle Nacht der Seele
von Anufa Ellhorn
Ein poetischer Name für einen Zustand gefühlter abgrundtiefer und umfassender innerer Verzweiflung. Kein Licht am Ende des Tunnels - was ist Licht überhaupt?? Tunnel?? Welcher Tunnel, da ist ein riesengroßes, grenzenloses schwarzes Loch...
Wenn Mensch sich in einer derartigen Situation erstmalig in Spiritualität oder Religion flüchtet, ist das nur zu verständlich... bringt aber oftmals mehr Schwierigkeiten als tatsächliche Lösungen mit sich. Wenn jemand für sich schon ein System gefunden hat, in dem er bisher mehr oder minder glücklich war und dann bricht die große Dunkelheit (oder zumindest der große Nebel) über ihn herein, dann wird es noch um einen Deut komplizierter als es in den meisten Fällen ohnehin schon war. Ein Thema, passend zum Jahreskreis der sich in unseren Breiten Richtung Innenschau neigt...
Klinisch diagnostizierte Depressionen werden mancherorts ebenso als „dunkle Nacht der Seele“ bezeichnet wie persönliche Glaubens- oder allgemeine Lebenskrisen. Natürlich ist es möglich (und in manchem Fall sicher auch nötig!!) dagegen auf medizinischem Wege etwas zu unternehmen, aber in jedem Fall ist es das für mich nicht! Krisen gehören zu Beispiel zu meinem Leben dazu, denn die wichtigsten Erfahrungen habe ich retrospektiv durch genau diese Krisen gemacht.
Hier will ich nun von den körperlich induzierten und diagnostiziert „krankhaften“ depressiven Zuständen absehen (obwohl natürlich wieder diskutiert werden könnte, inwiefern es rein körperliche Zustände dieser Art überhaupt gibt und nicht ganz ursächlich und automatisch Psyche und Lebensführung damit verbunden sind. Darum aber mögen sich die Physiologen mit den Psychiatern, Psychologen und Biochemikern streiten…).
Inneres Erleben kann niemandem abgesprochen werden. Genauso wie sich ein Paranoider durch ein Gespräch nie und nimmer davon überzeugen lassen wird, dass „sie“ nicht hinter ihm her sind, wird jemand, der in einer Extremsituation – welcher Art auch immer – ein für ihn selbst einschneidendes Gefühl des Getragen seins erlebt hat, davon überzeugen lassen, dass das schlichtweg nur der Effekt der Endorphine in seinem Hirn war. Mensch könnte durchaus zur Ansicht neigen, dass wir und unsere Wahrnehmung schlicht nur ein Produkt der chemischen Abläufe unseres Gehirns wären – aber wie gesagt, darüber sollen sich andere streiten. Ich lebe in einer Welt in der dieses Erleben eine wichtige Rolle spielt und somit fokussiere ich naturgegeben mehr auf die Sichtweisen, die meiner ähneln (auch wenn ich mehr als interessiert bin, andere Ansichten kennen zu lernen).
Also ist die Umgebung wichtig für die Art, die Verzweiflung und die persönlichen Nöte zu kommunizieren. Tue ich es in klerikalem Umfeld, dann werde ich garantiert die Antworten erhalten, die im System des Geistlichen zu Hause sind, mit dem ich mich austausche. Tue ich es im therapeutischen Umfeld werden mir wahrscheinlich Therapie oder bunte Pillen angeboten werden. Tue ich es im Fußballverein, ist vielleicht ein saftiger Rausch der Outcome (im schlechteren Falle wahrscheinlich peinlich berührtes Schweigen).
Klingt poetisch und ist es noch viel mehr
In unserer modernen Gesellschaft ist Religion schon vielfach der Grund belächelt zu werden, umso weniger weiß die Umwelt anzufangen mit Einem, der gerade in einer Glaubenskrise steckt. Patentrezepte vom Besuch beim Psychologen bis zur Verschreibung der bereits erwähnten bunten Pillen sind da wohl eher an der Tagesordnung als ein Mitmensch, der versteht weil er selbst erlebt und bewältigt hat.
Was hat das Leben für einen Sinn? Wozu bin ich überhaupt hier? Wer bin ich denn eigentlich? Bisher hab ich geglaubt, jetzt muss ich wissen, weil der Glaube auf einmal nicht mehr da ist!! Wo finde ich die Sicherheit, die ich einmal hatte und nun nicht mehr fühle?
Diese Fragen führen Menschen vielfach in die Nähe der Religionen (auch für den Fall, dass sie vorher davon absolut nichts hielten). Ob sich diese Frage aus gegebenem Anlass wie einer schweren Krankheit, einer lebensbedrohlichen Situation (in der
Mensch selbst oder jemand der einem nahe steht steckt) stellt, oder ob sie einfach aus dem Blauen auftaucht – egal. Sobald sie sich stellt ist die Krise da, weil
Mensch sich selbst eingestehen muss, dass etwas nicht so ist, wie es gefühlsmäßig eigentlich zu sein hätte. Nicht umsonst gibt es in den Krankenanstalten Seelsorger, denn nirgendwo sonst ist der Einzelne so auf sich zurück geworfen wie in körperlichem Elend oder nahem Tod …
Meine Beobachtung an mir und anderen ist, dass tiefe Gläubigkeit auch gelebt werden will, weil sie mit tiefem Gefühl verbunden ist, das sich auf das ganze Sein des Menschen auswirkt. Wer durch eine bedrohliche Lebenssituation „gläubig“ wurde, der verbindet den Glauben fast immer mit einem persönlichen Gefühl. Es war in allen mir bekannten Fällen keine bewusst getroffene intellektuelle Entscheidung, sondern der Grund war die gefühlte Antwort auf einen stummen oder lauten Hilfeschrei „Lieber Gott/Göttin/wasauchimmer, hilf mir!!“. Das entscheidende Gefühl ist das des Angenommen/Gehört/Wahrgenommen/Gehalten Werdens. Manche (ich zähle mich dazu) haben das Glück, dass sie auch in Extremsituationen dieses Gefühl nie wieder vollständig verlieren – oh ja, außer natürlich in einer dunklen Nacht der Seele. Damit ist auch schon das Paradoxon angesprochen, das ich im Glauben sehe: Glaube rettet einen unter Umständen (falls er eben tatsächlich vorhanden ist!!) aus dem Nichts in das
Mensch bereits gefallen ist, verhindert aber gleichzeitig nicht generell, dass Mensch
schwarzen Löchern begegnet und dann auch in diese fällt - ganz im Gegenteil.
Wer aus rationalen Gründen (sei es aus der Erziehung, der Tradition oder gesellschaftlicher Zwänge heraus) einer Religion angehört, erlebt entweder ebenfalls ein einschneidendes Vorkommnis durch das er das Glaubensgefühl für sich findet oder die Religion hat vielfach nur sozialen Charakter (aber keine Auswirkungen auf inneres persönliches Sein). Bis dato habe ich noch niemanden kennen gelernt, der ohne das Gefühl, dass sein Götter/sein Gott/ wasauchimmer für ihn spürbar „da“ wäre, sich selbst als spirituell ansehen würde – geschweige denn von außen als erkennbar gläubiger Mensch wahrgenommen würde; wohl als in einer Religion regeltreuer Mensch aber nicht als gläubig.
Nicht dass jetzt der Eindruck entsteht, für mich wäre es nötig, dass Mensch gläubig wäre – ist es absolut nicht. Mir kommt es nur sehr seltsam vor, wenn sich jemand z. B. als Katholik bezeichnet, all das einhält, was regelwerkmäßig von der Kirche verlangt wird, aber keine merkbare Beziehung zu Heiligen, Gott, Jesus etc. bei ihm für mich spürbar ist. Das ist religionsunabhängig, denn genauso geht es mir mit Leuten, die sich als Wicca bezeichnen, in deren Leben aber weder Götter noch Wesenheiten noch andere Entitäten aus dem „nichtmateriellen Bereich“ einen nennenswerten Eindruck hinterlassen (oder aber auch zuviel davon da zu sein scheint - aber das ist wieder ein anderes Thema). Mit Leuten, die meinen, dass sie an nichts glaubten und nicht der Ansicht wären, dass da außer der wissenschaftlich belegbaren Realität irgendetwas wäre, hab ich keinerlei Problem, sofern sie dann auch ohne Bedenken unter einer Leiter durchspazieren oder keinen Gedanken an Freitag den 13. verschwenden. Jeder wie er es gerne möchte – bloß wenn das Bild nicht schlüssig ist, dann äußere ich eben in manchem Gespräch meine Bedenken und frage Dinge nach, die mir unstimmig erscheinen.
Bin ich allein damit oder kann ich das kommunizieren?
Diese Frage taucht gerade in spirituellen Diskussionen immer wieder auf. Kann ich Definitionen finden, nach denen ich sicher sein kann, ob etwas das mir jemand erzählt auch tatsächlich dem entspricht von dem ich jetzt gerade rede? Gibt es über derartig intensive Erlebnisse überhaupt eine sinnvolle Möglichkeit des Austausches mit anderen? Die Perzeption dessen was geschrieben oder anderweitig kommuniziert wird, hängt meiner Erfahrung nach zu einem hohen Prozentsatz vom persönlichen Erleben dessen ab, der die Information empfängt und nur zu einem eher geringen Teil von demjenigen, der sie zur Verfügung stellt. Worte werden schlichtweg nicht objektiv wahrgenommen sondern in den Kontext der aktuellen persönlichen Befindlichkeiten gebracht und subjektiv interpretiert.
Meiner Erfahrung nach gibt es eine Möglichkeit über diese Hürde zu interagieren, aber anders, als wir sie vom wissenschaftlichen Diskurs her gewohnt sind. Erlebnisse und die daraus gezogenen persönlichen Konsequenzen ähneln sich bei denen die sie tatsächlich durchlebt und nicht nur er- oder durchdacht haben. Ist die Kommunikationsebene nicht gegeben (weil beispielsweise die persönlichen Bilder in denen gedacht wird nicht kompatibel sind), passen die Puzzlesteine nicht ins persönliche Bild. Allerdings wertet das weder das eine noch das andere ab, sondern ist einfach das was es ist – etwas anderes!! Da es in meinem Augen nur auf die persönliche Wahrnehmung ankommt sind Klassifizierungen und Wertungen in diesem Bereich völlig sinnlos, nicht zuletzt deshalb, weil sie sowieso keinen Effekt nach sich ziehen.
Um dem Dilemma nach Definitionen und daraus vielfach entstehenden Wertungen (das scheint in der menschlichen Natur zu liegen) zu entkommen, werden oft Bilder verwendet um zu beschreiben, wie es im Innen aussieht. Wer je Gedichte von Otto zur Linde oder Sylvia Plath gelesen hat, der weiß, wovon ich spreche…
Aber nicht jede depressiv oder melancholisch anmutende Lyrik ist auch das, was zu der schlussendlich positiven Erfahrung führt die auf eine überstandene Krise vielfach folgt – es gibt auch den zweiten Weg, den der Aufgabe bzw. des Selbstmordes. Aber führt uns das dann nicht wieder unweigerlich zu der Frage, welche Art der Krisenerfahrung denn nun die „richtige“ wäre, in die schon angerissene Wertung??
Nicht unbedingt, da es für mich, die ich gerade in einer Krise stecke wohl kaum erheblich ist, ob derjenige, dessen Ergüsse ich lese eine ähnliche oder sogar gleiche Krise durchlebte oder sich nur gefühlsmäßige Ähnlichkeiten ergeben, die meine persönliche Realität der Einsamkeit mildern. Das hat einen einfachen Grund – in meinen Augen ist die persönliche Realität der Einsamkeit sowieso nur eine subjektiv vorhandene Empfindung, die genauso gut durch die Empfindung des All-Eins-Seins ersetzt werden könnte, wenn
Mensch denn können würde… Ergo führt der Umweg, sich und seinen persönlichen Schmerz im vermeintlich oder tatsächlich ähnlichen Schmerz eines anderen gespiegelt zu sehen dazu, dass die Einsamkeit gemildert wird, weil es noch zumindest einen zweiten Menschen gibt, der Ähnliches oder Gleiches artikuliert, wie ich selbst fühle. Womit wir wieder dort wären, dass die Welt schlichtweg genauso ist, wie ich sie wahrnehme und es demzufolge von meiner Wahrnehmung abhängt, wie die Welt für mich ist und nur eher peripher die objektive Realität (so es eine solche überhaupt gibt) ins Spiel kommt. Sehe ich bei jemandem etwas Ähnliches, dann bin ich nicht einsam, sehe ich es nicht, BIN ich es. Allein die intellektuelle Erkenntnis, dass es zig Millionen Menschen auf diesem Planeten gibt und es somit quasi unmöglich ist etwas zu fühlen, was niemand sonst fühlt, reicht zwar dem Intellekt aber nicht der Gefühlswelt und dem persönlichen Innenleben. Was mich zur Verbindung mit dem Schlagwort „Tradition“ führt…
All-Eins ist der Einzelne nicht einsam
Ein Hauptkennzeichen meiner „dunklen Nächte“ war immer, dass ich mich vollständig einsam fühlte, von allem und jedem getrennt, auf mich allein zurückgeworfen und verlassen von allen und allen, was mir je lieb war. Meine Götter antworteten nicht mehr, der Kontakt zu anderen Menschen war unmöglich, die emotionalen oder feinstofflichen Verbindungen lahmgelegt und ich dümpelte allein auf meiner winzigen Eisscholle, die keinerlei Bewegungsspielraum bot mitten im schwarzen Eiswasser. Das was vorher an All-Eins-Sein unterschwellig einfach da gewesen war, war mit einem Schlag nicht mehr greifbar und wie niemals
da gewesen. Aus dem Leben war jeglicher Sinn gewichen und alles, aber auch alles war in Zweifel zu ziehen, kein Rückhalt mehr vorhanden durch Konzepte oder Erfahrungen. Am Schlimmsten war aber für mich, dass ich ab einem bestimmten Tiefpunkt keinerlei Impulse mehr verspürte etwas an diesem Zustand zu ändern. Das Eis hatte mich scheinbar bis in meinen innersten Kern ergriffen und alles Lebendige erfrieren lassen.
In dieser Situation einen sozialen Rückhalt zu haben und zwar einen unbarmherzigen, war meist durchaus hilfreich, wenn auch nicht immer…
In einer Tradition, wie zum Beispiel der Craft zu stehen, bietet im Idealfall zumindest innerhalb des einzelnen Covens die Sicherheit, dass eine von allen ähnlich wahrgenommene Realität gegeben ist. Wie beim Krankenhausseelsorger, der sich in vielen Fällen besonders sinnvoll um die Angehörigen seiner Konfession kümmern kann, weil eine gemeinsame Sprache der Bilder und Konnotationen vorhanden ist. Auch ein psychologisch bestgeschulter Geistlicher stünde auf verlorenem Posten, wenn er versuchen würde mich davon zu überzeugen, dass ich nach meinem Ableben im Reich Gottes, im Himmel, sein würde und somit alles wieder in schönster in Ordnung wäre. Ich denke nicht, dass ich in einer Extremsituation die Kraft aufbringen könnte, seine Bilder in die meinigen zu übersetzen und dann auch noch Trost darin zu finden… Wie schon angedeutet bin ich der Ansicht dass, Kommunikation erleichtert wird, wenn
Mensch von einem gemeinsamen Bedeutungspool ausgeht.
Aber nicht nur die gemeinsame Sprache erleichtert die Kommunikation persönlicher Krisen und bringt so deren Bewältigung in greifbare Nähe, sondern es trägt auch das tätige Feedback der Coven“geschwister“ seinen Teil dazu bei – das wollte ich mit dem Begriff „unbarmherziger sozialer Rückhalt“ andeuten. Dazu habe ich schon
in "Die Craft aus dem Blickwinkel traditioneller Covenarbeit" ein paar Worte verloren.
Durch den ehrlichen und doch liebevoll bleibenden Spiegel der Covengeschwister (der ergo als Grundlage des Covens gegeben sein sollte) wird eine Entwicklung der eigenen Persönlichkeit gefördert oder zumindest unterstützt. Auf diese Weise können Selbstlügen und den eigenen Problemen gegenüber eingeschränkte Sichtweisen eliminiert werden.
Ein Coven in diesem Kontext ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich bewusst auf eine Situation eingelassen haben, in der sie Gedanken, Sein und tatsächlich „Freud und Leid“ miteinander teilen – allerdings nicht um der Gemeinschaft selbst Willen (sonst würde eine Encountergruppe daraus werden!!) sondern um dem Einzelnen die Chance zu geben, seine persönliche Art von spirituellem Leben zu finden und zu praktizieren. Dass dazu ein gerüttelt Maß an Selbstreflektion, Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und dergleichen nötig ist, das versteht sich wohl von selbst.
Nochmals betonen möchte ich, dass das natürlich wie immer nur eine Sichtweise ist, nämlich die meinige und es tatsächlich mehr Covenkonzepte gibt, als
Mensch sich vorstellen kann. Was es aber nicht gibt, ist eine generalisierte Aussage, was denn nun ein richtiger Coven wäre und was nicht und es gibt auch niemanden, der sich anmaßen könnte, zu sagen, „das ist aber kein richtiger
Coven“.
Gemeinsam sind wir stark?
Das bringt uns wieder in die Gegend der oftmals bekrittelten und besonders gegenüber der Craft gerne angekreideten „Elitenbildung“… Wer nun meint, dass
Mensch einer Elite angehören würde, wenn er in einem Coven aufgenommen wird oder etwa um in einem Coven sinnvoll arbeiten zu können zu einer Elite gehören müsste, der hat ein völlig anderes Weltbild als ich es hier beschreibe und mein Eigen nenne.
In einem Coven zu arbeiten hat Vor- und Nachteile. Es macht aber weder einen besseren noch schlechteren Menschen allein oder in einem Coven zu arbeiten. Jede Erfahrung, die
Mensch in einem Coven machen könnte, ist auch im „normalen Leben“ zugänglich. Es sind nur die Herangehensweisen anders. Dieses „Anders“ als besser oder schlechter zu werten halte ich für alles andere als sinnvoll! Manches Mal sind Erfahrungen einfacher im Covenkontext zu machen und manchmal es dort sogar noch schwieriger als in anderen Umfeldern.
Als Beispiel: Es ist, meiner Erfahrung nach, schlichtweg am Beginn des Weges einfacher innerhalb eines bestehenden Systems (sei es nun ein „Fernlehrgang“ aus einem Buch oder ein real und jederzeit zugänglicher Coven) Selbstreflexion anzugehen als in freier Wildbahn und ganz allein auf mich gestellt. Einfach deshalb, weil es vielen leichter fällt unangenehme Aspekte der eigenen Persönlichkeit wahrzunehmen, wenn
Mensch die Leute, die einen darauf hinweisen mag und/oder ihnen vertraut. Auf der anderen Seite ist alles nichts, wenn es einem nicht gelingt diese Erkenntnisse auch ins tägliche Leben zu übertragen. Da ein Coven zu einem Teil so etwas wie eine geschützte Umgebung darstellt, verleitet das oftmals dazu, sich selbst in den Sack zu lügen, dass die Fähigkeit ja sowieso schon in diesem Rahmen unter Beweis gestellt wäre und problemlos gelebt werden könnte, wenn es denn drauf ankommen würde.
Ein nettes Schlagwort, dass die Gruppe gemeinsam stärker wäre, das aber in der Realität gerade im Krisenfall nicht viel hergibt – außer Missverständnissen nach außen und innen. Denn hier gilt eher, dass die Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied.
Meine Vermutung warum es zum Geruch der Elitenbildung und zu anderen Negativkonnotationen überhaupt kommt ist, dass Covenleiter sich die Covenmitglieder (sinnvollerweise) aussuchen. Etwas, das ich nicht nur gut verstehe sondern auch ganz klar und explizit selbst vertrete.
Der Sinn dahinter ist eine möglichst homogene (bitte nicht zu verwechseln mit „gleichgeschaltet“!!) und tragfähige Gruppe zu bilden, die meiner Meinung nach nötig ist um überhaupt ein Klima für persönliche spirituelle Weiterentwicklung innerhalb einer Gemeinschaft schaffen zu können. Hier meine Leitsätze:
- Jeder ist sich selbst und den anderen gegenüber in Worten, Taten und Gedanken so ehrlich wie irgend möglich (intellektuelle Seite/Luft).
- Bei Einstieg hat jeder ein definiertes Ziel vor Augen (von dem die anderen auch wissen und mit dem sie einverstanden sind und das idealerweise mit der Covenbasis übereinstimmt!!) und kommuniziert auch kleine Kurswechsel oder Unsicherheiten so bald sie ihm selbst bewusst werden. Im Gegenzug sind alle anderen dazu aufgefordert Unstimmigkeiten sobald sie sie bemerken, ebenfalls zu kommunizieren. Alle im Coven sind Menschen mit Vorzügen, Unzulänglichkeiten, Fehlern und Talenten. Alle arbeiten daran sich so zu sehen, wie sie tatsächlich sind (und nicht daran, ein Bild aufrecht zu erhalten, wie jeder gerne wäre!!) (zielstrebiges Handeln/Feuer).
- Jeder hat Dinge zu lernen und jeder hat auch Dinge, die er lehren könnte. Jeder hat Talente, die er einbringen kann aber es hat auch jeder Bedürfnisse, die zu manchen Zeiten nur andere erfüllen können (ausgleichendes Element/Wasser).
- Jeder behält sowohl das eigene „Heil“ wie auch das der Gruppe im Bewusstsein (nährender Aspekt/Erde).
- Jeder ist in erster Linie seinem Selbst verpflichtet (nicht zu verwechseln mit Ego-Ich!!)
(Wahrhaftigkeit/Spirit)
Nach diesen Betrachtungen wird nun verständlich sein, wenn es in manch einem Coven Auswahlkriterien gibt, die als zu streng, elitär oder sogar als diskriminierend empfunden werden können, in einer Zeit in der jeder Mensch alles dürfen muss. Dabei ist in meinen Augen aber immer ein Punkt wichtig im Auge zu behalten: Coven sind keine öffentlichen Räume, die allgemein zugänglich sein müssten. Coven haben keine öffentliche Bildungsaufgabe und müssen somit auch nicht den Anspruch erfüllen, jeden der das möchte aufnehmen zu müssen. Coven haben das Recht zu entscheiden, was sie für sich akzeptieren wollen und womit sie Umgehen wollen und können oder eben nicht und Covenleiter haben das Recht sich manch einer Anforderung auch nicht gewachsen zu fühlen!
Diskriminierung Kranker?
Nach diesem Ausflug in die Covenstruktur hier nun die Anbindung ans Thema… Je nach selbstgewählter Richtung des Covens erklärt mein kleiner Exkurs nun vielleicht auch, warum es in einigen Coven oder Traditionen üblich ist, Suchende mit bereits bestehenden Problemen erst nach erfolgter Behandlung (oder sogar überhaupt nicht!!) aufzunehmen.
Die Abgrenzung zwischen klinisch diagnostizierter (und damit eventuell medikamentös behandlungspflichtiger) Depression und diversen Krisen (die
Mensch als durchaus zur Entwicklung zählende Erscheinungen betrachten könnte, was ich persönlich z. B. tue!!)
ist schon für Fachleute und Betroffene schwierig – und somit für den Laien wohl kaum zu treffen.
Die Frage stellt sich heute immer öfter - wie also vorgehen? Politische Korrektheit versus sinnvolle Voraussetzungen?? Eine Lösung wäre für mich die bereits erwähnte Ehrlichkeit. Genauso wie es in unserer Zeit Krankheiten gibt, die real und nachweislich für andere ob der Ansteckungsgefahr zu einem Problem werden können (von Hepatitis C bis zu HIV) ist es nicht nur sinnvoll, diese Art von Infektionskrankheit von Seiten des Kranken her, bei den hoffentlich vor einer fraglichen Covenaufnahme anstehenden Treffen, zur Sprache zu bringen. Es ist von Seiten des Suchenden aus in meinen Augen nur fair, ebenso auf etwaig bestehende psychische Probleme hinzuweisen und dem Coven dann zu überlassen, ob er sich im Stande sieht damit sinnvoll umzugehen oder eben nicht. Damit erweist derjenige nicht nur dem Coven einen Dienst sondern auch sich selbst!! Was würde es für einen Sinn machen z. B. eine Suchterkrankung wie Alkoholismus zu verschweigen und dann bei jedem Ritual entweder das Risiko eines Rückfalles in Kauf zu nehmen oder fadenscheinige Gründe erfinden zu müssen, warum
Mensch den Kelch nicht mit allen anderen teilen kann? Erfahrungsgemäß ist es wesentlich einfacher und natürlich auch ehrlicher, schlichtweg auf die Erkrankung hinzuweisen und dem Coven zu überlassen, wie damit umgegangen werden kann. Entscheidungsfreiheit für alle – ist in dem Falle meine Devise und das ist nun einmal nur unter Ehrlichkeit von allen Seiten möglich! Für Taktik und Strategie sollte gerade bei derartigen Themen kein Platz sein.
Sollte sich nun ein Coven außer Stande sehen, mit der Herausforderung, die jede Krankheit in der Realität (und auch Covenarbeit findet im täglichen Leben statt) mit sich bringt, umgehen zu können, ist auch in diesem Falle die Entscheidung gegen den Suchenden wesentlich fairerer als eine Covenaufnahme unter der Prämisse, dass sich einige oder sogar alle schon von Anfang an überfordert, nur um der politischen Korrektheit Willen. Dass das von außen betrachtet natürlich den Anschein der Diskriminierung erwecken kann, sollte allen Mitwirkenden mehr als klar sein! Genauso wie Aufnahmekriterien den Anwurf des Elitarismus nach sich ziehen können… und es in vielen Fällen auch tun werden. Das Bild liegt zu einem Teil im Auge des Betrachters und gerade bei Entscheidungen, die gruppenintern nach ganz bestimmten (den Außenstehenden nicht zugänglichen) Regeln getroffen werden, wird dieses Bild oft (auch manchmal durchaus aus guten Gründen) negativ ausgelegt. Dessen sollten sich sowohl Suchende als auch Coven durchaus bewusst sein.
Also doch – gemeinsam sind wir stark?
Gehen wir also wieder einen Schritt weiter. Wenn ich denn in einem (nach meiner Vorstellung!!) funktionierenden Coven eingebunden bin, dann sollte mir das genügend Rückhalt geben mich in die Dunkelheit fallen lassen zu können – sofern ich denn in eine Dunkle Nacht schlittere, was früher oder später noch fast jedem passiert ist (und deshalb für mich auch zur Entwicklung dazu gehört) – und dann taucht das nächste Paradoxon auf. Denn genau dann wird es höchstwahrscheinlich auch passieren, dass dieser Coven mich nicht hält. Genau das gehört zu genau dieser subjektiv existenzbedrohenden Krise dazu. Mensch ist dann völlig einsam und von allem und allen getrennt!!
Damit soll nicht gesagt sein, dass jemand böswillig oder aus Unvermögen sein Aufgabe nicht erfüllt,
ein Hilfsbedürftiger im Regen stehen gelassen wird oder etwas in der Art. Damit will ich ausdrücken, dass der Betroffene
das Gefühl hat völlig allein dazustehen! Genauso wie er seine Verbindung zum All-Einen nicht mehr wahrnehmen kann, kann er die Verbindung und Verbundenheit der anderen nicht mehr wahr- geschweige denn annehmen. Dabei ist ausschließlich die subjektive Sicht entscheidend und völlig uninteressant, was objektiv greifbar wäre.
Dass dieser Zustand dann sowohl für den Betroffenen als auch den ganzen Coven eine Belastung darstellt und in vielen Fällen heftige Spuren hinterlässt, brauche ich wohl nicht noch einmal extra zu betonen. Viele Coven sind genau daran schon zerbrochen und etliche Menschen wieder zu alten Glaubenssystemen zurückgekehrt oder zu anderen gewechselt. Auch darüber sollten sich sowohl diejenigen, die in einen Coven wollen oder diejenigen, die Covenarbeit leisten im Klaren sein. Covenarbeit ist nicht nur Arbeit am eigenen Selbst sondern auch Arbeit am Gruppenselbst und das setzt sich nun einmal aus den Inputs
aller Covenmitglieder zusammen. Deshalb mein Tipp, dass sich sowohl die Covenleiter als solche als auch der ganze Coven (als Einheit) und auch der Suchende bewusst sein sollten, was für Belastungen schon mal im Vorfeld abzusehen sind und wie es um die Tragfähigkeit des Covens bestellt ist. Schonungslose Offenheit ist dabei erfahrungsgemäss besonders schmerzhaft (weil persönliche und gruppenimmanente Unzulänglichkeiten dabei deutlich werden) aber gleichzeitig mehr als hilfreich - manchmal sogar für den Coven überlebensnotwendig. Das stellt mich wieder vor die Tatsache, dass die Tragfähigkeit vom schwächsten Glied abhängt (und das nicht an der realen Person festgemacht werden muss, sondern durchaus auch die Covenperson betreffen kann).
Haben Dunkle Nächte einen Sinn?
Wie so oft und nicht nur in diesem Artikel, habe ich auch für diese Fragen keine konkreten Antworten zur Verfügung, sondern nur Denkmodelle, in denen jeder Leser selbst seine eigenen Wahrheiten finden kann – oder auch nicht.
In meiner Weltsicht haben all diese Krisen einen Sinn und zwar sowohl für den Coven als auch für den betroffenen Einzelnen. Sie gehören zur Entwicklung dazu und sorgen dafür, dass wirklich nur diejenigen auf Dauer im System leben bleiben, die sich dort auch profund wohlfühlen und im System selbst konstruktiv tätig sind. Genannte Krisen sind in meinen Augen Prüfsteine, Stolpersteine, die dazu da sind mir die Frage zu stellen, ob das was ich glaube und tue nicht nur ein lustiges, nettes Konzept (ähnlich dem heute verbreiteten Rollenspiel) ist, das zwar intellektuell mehr oder weniger befriedigend aber im Grunde völlig austauschbar ist. Aber wieder Vorsicht vor Interpretationen!!
Prüfsteine sind für mich ein normaler Teil des Lebens und existieren nicht um mich zu bestrafen, mich von außen zu testen oder mich zu bewerten. Sie dienen mir einzig und allein zur Standortbestimmung und zur eigenen Kurskorrektur (sofern nötig). Ich werte mit dem was ich schreibe auch die unterschiedlichen Systeme nicht. In meinen Augen kann jedes System für den einen oder anderen Menschen nett und lustig aber eben austauschbar sein und genau dasselbe System für einen anderen durchaus der Weisheit letzter und erfüllender Schluss. Stolpersteine sind
nicht dazu da mich an etwas zu hindern, sondern zwingen mich dazu den gewohnten Trott zu verlassen (wenn
Mensch nicht mehr fähig ist die Routine aufrecht zu erhalten, dann ist die Gelegenheit einfach greifbarer, über genau diese Routine mal zu reflektieren, bevor
Mensch sie neu angeht - oder die Idee hat, sie zu verändern …).
Um wieder von mir zu sprechen: wenn ich ins Loch gefallen bin und sich aus unerfindlichen oder findlichen Gründen das Licht endlich wieder zeigt, „mein“ System für mich immer noch schlüssig ist, dann kann ich auch weiter darin leben und mich in und an diesem System weiterentwickeln. Meist ist die Einbindung dann stärker als sie es je war, das Aufgehen im All-Einen noch um ein Stück erfahrbarer geworden. So wie die Luft nach einem Gewitter besonders „rein“ schmeckt.
Bei meiner ersten Dunklen Nacht hatte ich, aus dem Nichts, das Gefühl des All-Einen - für mich absolut unverständlich und überraschend, eine Art Urvertrauen, dass es keinen besonderen Sinn braucht um hier zu sein, sondern dass ich selbst diesem Leben einen Sinn geben sollte, wenn ich es erfüllend leben will.
Für mich wurde klar, dass der Sinn nur etwas ist, das mein Intellekt benötigt, mein tatsächliches Sein aber nicht, weil ich
bin. Bis jetzt ist es so, dass mein gewähltes System, die Craft mir immer noch passt. Nach jeder Dunklen Nacht hat sich dieses Band wieder neu manifestiert (bzw. erweitert) und ist mit der Zeit auch immer stärker geworden. Wäre das nicht der Fall, würde ich auch heute noch (oder wieder) zu den Suchenden gehören.
Meine Zusammenfassung: Sinn hat die Sache „Leben“ dann, wenn ich ihr einen Sinn gebe und für mich hat sie ihn ausschließlich dann.
Ein kurzer Ausflug in die Schuld
Gerade beim komplexen Thema menschlicher Interaktion, und nichts anderes ist ja auch ein Coven, ergeben sich immer wieder Gespräche über Schuld. Die Frage nach dem „Wer ist denn nu´ Schuld dran?!“, nachdem es zu einer prekären Situation gekommen ist, die obligate Suche nach einem Schuldigen.
Für mich eine völlig irrelevante Frage. Die Betrachtung unter dem Blickwinkel von Aktion-Reaktion und Tun-Konsequenz finde ich wesentlich produktiver (denn nur so kann sich ein neuer Zugang entwickeln und meist systemimmanente, immer wieder auftretende Schwierigkeiten können anders angegangen werden). Schuldzuweisungen sind in meinen Augen, in Fragen menschlicher Interaktion nicht nur objektiv kaum zu treffen. Sie führen, subjektiv getroffen eher zu Pattsituationen, die keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten bieten, als zu Startpositionen für tatsächliche Veränderung. Es ist meiner Erfahrung nach in den seltensten Fällen Eine/r schuld.
Für mich sind Probleme in Gemeinschaften ein Weg mich selbst und das was ich tue so zu verändern, dass das Leben für mich lebenswerter wird. Das tue ich, indem ich mir ansehe was ich unter welchen Bedingungen wie getan habe und was dabei rausgekommen ist.
Außerdem bedingt Schuld für mich zusätzlich ein Tun unter Absicht und da ich annehme, dass gerade im Covenkontext kaum jemand sich selbst oder anderen Schaden zufügen wollen wird, diskutiere ich nicht über Schuld sondern über Tun und Konsequenzen.
Auch dieses Thema kam bei bereits genannten Forumsdiskussionen als Dauerbrenner zur Sprache und deshalb will ich noch ein wenig mehr Input dazu liefern um vielleicht ein paar Zusatzperspektiven zu beleuchten.
Hier ein Originalzitat von Distelfliege, das in meinen Augen wunderbar auf den Punkt bringt, wo der Schuh vielfach drückt.
Es gibt eben einen kleinen, feinen Unterschied!! zwischen der Sichtweise,
dass man schuld an einer Krankheit sei, oder der Sichtweise, dass man für sein Wohl selbst verantwortlich ist.
Das ist nicht das gleiche!!
Daraus ergibt sich für mich die Frage: Fühlen sich Betroffene auch angegriffen (wie sie es aus mehr oder minder verständlichen Gründen tun, wenn über Probleme und ihre möglichen Lösungen diskutiert oder gar politisch inkorrekter Weise von Schuld gesprochen wird), wenn „Eigenverantwortung zum persönlichen Wohl“ diskutiert wird, anstatt „Eigenverantwortung zur Lösung eigener Probleme“?? Ich schreibe hier jetzt auch bewusst von Problemen, weil ich z. B. nicht denke, dass jeder bei perfekter Gesundheit sein müsste. Krankheit ist, meiner Sicht nach, nur ein Problem von vielen, mit dem Mensch sich im Leben konfrontiert sieht. Ich schreibe von „Wohl“, der persönlichen Lebensqualität und die ist wahrlich auch im Krankheitsfalle möglich!! Womit wir wieder den Kreis zur Anfangsfrage geschlossen hätten.
Und – was mach ich jetzt mit dem ganzen Gelabere?
Ein generelles Statement zu allem was ich aus eigener Feder veröffentliche: Alles was ich schreibe soll mir und eventuell auch anderen dazu dienen, neue Blickwinkel zu erschließen. Indem ich beschreibe, wie ich agiere und reagiere, meine Erfahrungen teile, habe ich die Hoffnung Feedback zu bekommen (das diesmal ausnahmsweise einmal reichlich vorhanden war!!) und damit die Gelegenheit, auf Bugs aufmerksam zu werden, die mir ansonsten eventuell entgangen wären oder die ich mir mühsam hätte erleben müssen. Aber zurück zum Thema und das gleich am „gelebten Beispiel“.
Was mache ich also persönlich mit all diesen Überlegungen?
Hat mein System nach der Bergabfahrt einer Dunklen Nacht, auf einmal Löcher? Lassen sich auf einmal Dinge nicht mehr schlüssig erklären? Greife ich bei manch einer Stelle ins Leere – dann ist das für mich ein Zeichen dafür, dass sich das System überholt hat. Die Haut passt mir dann nicht mehr und ich bin gut beraten mir einen neue wachsen zu lassen, wenn sich die alte schon als zu eng, löchrig und zu dünn erwiesen hat.
So sehr ich dann auch die alte Sicherheit herbeisehnen mag, stellt sich das Gefühl der Verbundenheit nicht wieder ein, dann ist es Zeit daraus Konsequenzen zu ziehen. Fehlt nach dem Auftauchen aus einer Glaubenskrise die Lust im angestammten System zu Hause zu sein, wirklich stofflich darin zu leben und zu arbeiten, dann ist es Zeit mich wieder auf die Suche zu machen… Wobei ich explizit die Lust anspreche - nicht die Gewohnheit, das Sicherheitsdenken oder die Angst vor Veränderungen. Soll das was wir tun nicht befriedigen, ganz tief, innen drinnen?? Soll ich nicht von dem was ich tue in meinem Innersten berührt und davon erfüllt sein?
Natürlich hat auch diese Herangehensweise (wie jede andere auch!) ihre Fallstricke!! Offensichtlich ist dabei die Gefahr zum ewig Suchenden zu werden – weil immer woanders das Gras grüner, die Luft lauer und das Leben problemloser erscheint. Zweifel, Rückschläge oder Zusammenbrüche werden als Zeichen wahrgenommen, wieder mal ein Haus weiter zu ziehen. Genau hier kommt wieder der Spiegel des Covens ins Spiel. Bei gutem Wind ist es möglich durch den Input der Covengeschwister zu durchschauen, dass eventuell des Rätsels Lösung der
Widerwille gegenüber persönlicher Veränderungen sein könnte und nicht die schlechten Weidegründe. Oder der Coven gibt genügend Rückhalt (indem sie weiter praktizieren, was dem Verzweifelten nicht mehr zugänglich ist) um allein durch das Anwesend-Sein wieder die Freude am spirituellen Tun erleben zu können. Es gäbe und gibt noch viele mögliche Varianten…
Zum Schluss kein guter Rat
Wie nun allerdings die Unterscheidung zu treffen ist, in welchem Fall es für den Einzelnen nötig ist das System zu wechseln, in welchem Abwarten, die bessere Option und in welchem ein Verbleiben sinnvoller ist – dafür kann es wohl kaum Patentrezepte geben.
Ein Fluch unserer Zeit scheint mir zu sein, dass die Nachkriegsgenerationen Eigenverantwortung eingefordert haben (wenn ich Christ wäre, dann würde ich meinen, dass das in einigen Aspekten dem Baum der Erkenntnis entspricht), der Geist nun nicht mehr in die Flasche zurück zu bekommen ist (das wohl auch ernsthaft keiner wünschen wird) und der Schluss daraus ist, lernen zu müssen, mit dieser Eigenverantwortung zum eigenen (in erster Linie) Wohl und (in zweiter Linie) zum Wohl der Umwelt (und damit wieder zum eigenen, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…) umzugehen. Der moderne westliche Mensch ist heute ob der Lebensumstände in unserer Gesellschaft angehalten jeden Teil seines Lebens selbst zu entscheiden (oder teuer zu bezahlen, das nicht tun zu müssen) und das ist eine nicht zu verachtende Lernaufgabe.
Eigenverantwortung ist kein Kinderspiel, sie kann aber ebenso lohnend wie mühsam sein. Die Konsequenzen meines Tuns, in Kauf nehmen zu müssen, ist ein geringer Preis, im Vergleich zur Freude, die es macht, sich selbst leben zu können. Sicher kann dieser Schritt überwältigend anstrengend erscheinen, und er birgt naturgemäß auch die Gefahr zu scheitern. Jedes Scheitern beinhaltet aber auch die Möglichkeit zu reflektieren und Richtung oder Performance zu überprüfen bzw. gegebenenfalls zu adaptieren.
Wie neigt sich die Waage? In der einen Schale all die Bedenken, Ängste, Hemmungen und in der anderen die Chance auf die innere Befriedigung immer mehr „mensch selbst“ sein zu können...