Demeter


Die Göttin Demeter

Über die Herkunft des Namens „Demeter“ herrscht absolut keine Einigkeit. Cicero statuiert, dass es sich bei der Silbe „de“ um eine Entsprechung von „ge“, also Griechisch für Erde handelt, wohingegen andere Quellen eine Herleitung vom kretischen Wort „déai“ für Gerste anbieten. Eindeutig ist nur der Namensteil „meter“, welcher so viel bedeutet wie Mutter. Sind Übersetzungen als Erd-, Gersten- bzw. Getreidemutter nur bedingt schlüssig, so sollten wir lieber nur an dem mütterlichen Anteil festhalten. 

Demeter, wie wir sie heute verehren, ist nämlich mit Sicherheit nicht die große Erd- und Allmutter, die sich in der Gesamtheit der Natur äußert, wie man es von naturreligiösen Glaubensrichtungen kennt, und ist genauso wenig reduziert auf das Hoheitsgebiet des Getreides (oder gar ausschließlich der Gerste). Wohl bestehen zwischen diesen beiden Elementen und der Göttin Verbindungen, aber die Hauptbetonung muss wohl eher auf der Bedeutung als Mutter liegen.

 

   

Demeter ist nämlich die mütterliche Göttin schlechthin unter den Olympischen. Sie ist die regelrechte Verkörperung der Mutterschaft mit all seinen Aspekten. Sie entspricht und hütet die hellenischen Idealvorstellungen der verheirateten Frau und Mutter. Man trifft Demeter jedoch kaum als stilles Heimchen am Herdfeuer an (das ist wohl eher ihre Schwester Hestia), nein sie lebt und liebt das Leben. In dieser Hinsicht zähle ich Demeter gerne zu den Fröhlichsten unter den Göttern. Die Mutterschaft mit all ihren Facetten ist für Demeter keine Pflicht, sondern entspricht ganz ihrem Wesen, welches sie mit absoluter Hingabe auslebt.

Die Mythologie unterstreicht all jene Eigenschaften, die im Leben einer Frau, dessen Höhepunkt nach hellenischen Vorstellungen die Mutterschaft sein muss, zum Tragen kommen. Unermüdlich, stark und hartnäckig erleben wir Demeter auf ihrer Suche nach der verschwundenen Tochter im homerischen Hymnus. Mahnend und streng erscheint sie im Hymnus des Callimachus, wenn sie den Frevler mit Heißhunger straft. Fürsorglich zeigt sie sich den Menschen gegenüber in ihrem Geschenk der reifen Getreideähre und der Fähigkeit Samen zu kultivieren. Unendlich und alle Grenzen überwindend ist ihre Liebe in den Mysterien, indem sie dem Eingeweihten eine Heilserwartung auf ein glückliches Jenseits schenkt.


Vielfach wird Demeter als eine reine Frauengöttin verstanden, was allerdings ihre tatsächlichen Wirkungsbereiche allzu sehr einschränkt. Ja, Demeter hat mit Sicherheit eine besondere Bedeutung für das Leben der Frau, insbesondere für dessen Übergänge zum Beispiel, wenn das Mädchen aus der väterlichen Obhut zu ihrem Gatten entlassen wird oder auch im Rahmen der Geburt, wenn aus der verheirateten Frau eine Mutter wird. Hierbei ist sie allerdings keine göttliche Geburtshelferin in dem Sinn sondern eine Initiationsgöttin. Ihre „Zuständigkeit für Übergänge“ reicht aber weit über das Leben der Frau hinaus und betrifft die Entwicklung jedes Menschen, der menschlichen Gemeinschaft, ja sogar der Gesamtheit des Menschengeschlechtes. Zum Beispiel wird Demeter nach Zeiten des Krieges für einen sanften Übergang in friedliche Zeiten angerufen. Demeter reichte auch dereinst ihre Hilfreiche Hand beim Übergang zur Sesshaftigkeit indem sie den Ackerbau und was dazu gehört lehrte und bewahrt stets ein Auge auf den Fortbestand und die Entwicklung der Menschen.

Aus diesem Grund wird sie als Mutter auch eng mit der Fruchtbarkeit verknüpft, welche die notwendige Grundlage für den Fortbestand bildet; einerseits die Fruchtbarkeit der Menschen und andererseits auch jener der Tiere und Felder, welche als Lebensgrundlagen eine nicht weniger bedeutende Rolle spielen. Eines ihrer bekanntesten Opfertiere ist zum Beispiel das Schwein, welches als besonders fruchtbares Tier gilt.


Wo das Leben gestärkt wird, da muss auch dem Tod Raum gelassen werden. Für die erdverbundene und lebensbejahende Demeter gibt es jedoch kein Ende, sondern nur Wachstum und Veränderung.

Daher wird sie auch mit dem Jenseitigen, diesem wichtigen Bestandteil des Lebens verbunden, entweder direkt oder über ihre Tochter Kore beziehungsweise Persephone, die Gattin des Gottes, der so viele Gäste bewirtet, welche als Königin die Unterwelt mitregiert. Ihre Tochter sowie deren „Räuber“ (oftmals Hades möglicherweise aber auch Dionysos) spielt auch eine wesentliche Rolle in den Mysterien von Eleusis, deren geheimste Riten über die Jahrtausende leider verloren gegangen scheinen.


Auch die sonstigen Demeterfeste, die in der gesamten griechischen Welt verbreitet waren, sind nur lückenhaft überliefert. Gesichert scheint einzig, dass manche dieser Feste bzw. zumindest ihre Kernriten in manchen Teilen Griechenlands nur den Frauen (oder gar nur den edlen Frauen) vorbehalten waren, wie man zum Beispiel auch Aristophanes’ Komödie „Thesmophoriázusai“ entnehmen kann. Die größten und am weitesten verbreiteten Feste der Demeter scheinen eben die Thesmophorien aus obiger Komödie zu sein, welche im Herbst vor dem Einsetzen der winterlichen Regenfälle im attischen Monat Pyanopsion stattfinden. Sie sind mehrtägig (wobei die Anzahl der Tage je nach Ort variieren kann) und werden mit der Aussaat verbunden, welche in Griechenland zu dieser Zeit stattfanden. Weitere Feste, die unter anderem mit Demeter in Verbindung stehen, sind unter anderem die Skira im Erntemonat Skirophorion und die Haloa in Eleusis.

Die bekanntesten Epitheta der Demeter sind Chlóe (die Grüne), Karpophoros (die Fruchtbringende), als Erzieherin und Pflegerin von Kindern Kourotróphos und Paidophile, Erinys (die Rasende bzw. Zornige), Thesmophoros (die Gesetzgebende), Haloas (in Zusammenhang mit dem Dreschen und Aufspeichern der Getreideböden), Eleusinia (die Eleusische, nach dem Ort ihrer Mysterien), Khtonia (die Unterirdische, in ihrem irdischen Jenseitsbezug), Megalartos (nach einem großen Opferbrot, welches ihr in Boiotien dargebracht wurde) oder auch einfach Megala Meter (große Mutter) beziehungsweise Megala Thea (große Göttin). Homer bezeichnet Demeter unter anderem auch als die Göttin mit dem Kranz, wobei ich erwähnen möchte, dass der Blumen- oder z.B. Lorbeerkranz eine besondere Bedeutung in der hellenischen Religion hat, da er so etwas wie ein äußeres Zeichen der selbigen ist.


In der Kunst wird Demeter meist hoheitsvoll auf einem Thron sitzend dargestellt oder in einem von geflügelten Schlangen (Drachen) gezogenem Wagen und manchmal von Schlangen begleitet. Ihre Attribute sind zum Beispiel reife Getreideähren, ein Korb gefüllt mir Blumen und Feldfrüchten, der Lotusstab, Mohn oder zwei Fackeln. Unter den Pflanzen sind der Göttin übrigens unter anderem Mohnblumen, Narzissen und Myrte heilig. Häufig erscheint Demeter auch in mythologische Situationen zum Beispiel auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter Persephone, oder als sie ihren Schützling, den Königssohn Demophoon, in das Feuer legt um ihm so Unsterblichkeit zu verleihen.


Ein einfaches Gebet an die Göttin könnte zum Beispiel folgendes Mantra sein:

„Mutter Demeter, gleich dir will ich
die Fülle des Lebens feiern.“