Helios
Der Gott Helios |
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Helios ist einer jener Götter, deren Vorstellung eigentlich aus einem ursprünglichen Empfinden der Menschen entspringt: dem Gefühl beim Anblick der Sonne, die ja in vielen Kulturen einfach durch ihre Existenz als göttlich angesehen wird, primär als Spender von Licht, Wärme, Kraft, dann natürlich auch als Zeichen der Zuversicht und Hoffnung, als Zeichen für das Verstreichen der Zeit, usw. Sein Name ist vieldeutig: die Sonne als Gestirn, das Sonnenlicht bzw Tageslicht, den Sonnenaufgang (und somit auch die Himmelsrichtung Osten). Als Eltern des Helios gelten Hyperion (bei Hesiod, von den sehr frühen und sehr späten Dichtern wird Hyperion nur als Beiname des Helios verwendet wird) und Theia, beides Titanen (daher auch Titan als Beiname des Helios, v.a. in römischer Dichtung). Aber auch andere Mütter werden genannt - alles eher vage, wer kann auch ernsthaft Vater oder Mutter der Sonne sein? Selene (Mond) und Eos (Morgenröte) sind seine Schwestern, er ist Vater der Heliaden und des Faethon von der Nymphe Klymene. |
Er steigt mit seinem Sonnenwagen am Morgen aus dem Okeanos auf, reist über den Himmel und taucht am Abend wieder ins Meer, wobei unklar bleibt, wie er dann wieder zurückkehrt (und man fragt sich, ob hier der Gedanke einer scheibenförmigen Erde überhaupt greifen kann). Er kann nicht im Olymp wohnen, er kann auch streng genommen keine Tempel haben (da er sie nie besuchen könnte) - wobei dies eben nicht immer so streng genommen wurde, vor allem in Gegenden, in denen sich fremdländische Sonnenkulte eingenistet hatten. Auch der Koloss von Rhodos war ein Standbild des Helios.
Helios, der die Erde erleuchtet, sieht daher auch alles, er ist Zeuge aller menschlichen Taten und wird daher gerne (mit Zeus und Gaia) als Schwurzeuge angerufen. Er heilt Blindheit oder gibt sie (ähnlich wie Apollon auch Krankheiten heilen und verteilen kann). Und natürlich ist er Gott der Lebenskraft, der schöpferischen Kräfte, von Freiheit, Glück usw. Ab dem 5. Jh. v.u.Z. wurde Helios oft mit Phoibos Apollon gleich gesetzt, aus Gründen, die man sicher bereits erahnen kann. Und im 3.Jh u.Z. kam der Kult des Sol invictus mit Elementen des Mithaskults und orientalischer Sonnenkulte sowie des Kaiserkults auf.
Zugang zu Helios
Helios ist Sonne. Doch was verstehen wir darunter? Geht es wirklich nur um den Himmelskörper, der unsere Tage erleuchtet?
Die Versuche der Mythologie, Helios inmitten der Götter einzuordnen, scheinen eher ein hilfloses Unterfangen zu sein - sei es bei deiner Herkunft: es werden mehrere verschiedene Möglichkeiten seiner Abstammung angegeben, so dass man zum Ergebnis kommt, auch die Alten wussten nicht so recht, wie sie mit dem Phänomen Helios umgehen sollten. Er gehört nicht zu den Zwölf des Olymp, sondern wird als Titan angesehen, kommt also aus der älteren Götterfamilie (aus der ja auch Zeus und Hera stammen), die unter anderem auch die Götter des Himmels (Sonne, Mond, Winde,...) stellen, also jener vom Menschen beobachtbaren Phänomene, die zwar wesentlichen Einfluss auf das menschliche Leben haben, aber diesem irgendwie ferner sind als zB die erdgebundeneren Gottheiten. Nun muss man sich allerdings fragen, wie Zeus, Sohn des Titanen Kronos, eigentlich Wettergott, Blitzeschleuderer, zum Herrn der Götter werden konnte, und nicht Helios, Sohn des Hyperion, die Sonne, die uns Licht und Leben schenkt, so wie in anderen Religionen ja auch der Sonnengott der Höchste ist.
Erst später, unter neuplatonischem Einfluss, wurde die Sonne als Symbol für das Höchste Prinzip gesehen (schon Platon nahm sie als Symbol für das Gute), und aus diesem Gesichtspunkt kann man auch drei Ebenen der Betrachtung fest stellen:
1. auf der physischen Ebene den Himmelskörper
2. auf der psychischen Ebene das Licht, das uns Leben schenkt, Wärme, Geborgenheit, usw
3. auf der metaphysischen Ebene das Symbol für das Höchste Prinzip, die Kraft des Lebens, die alles bewirkt.
Dadurch gewinnt das Fest "Heliou Genethlion" auch eine andere Bedeutung als nur den Gedanken an die astronomische Tatsache, dass die Tage wieder länger werden. Die (Wieder-) Geburt der Sonne bedeutet nicht nur, dass ein neues Jahr beginnt, die kalte Jahreszeit in absehbarer Zeit wieder in den Frühling übergehen wird, wie jedes Jahr, dass die Erde wieder Frucht tragen wird, usw. Sondern vor allem ist die psychologische Bedeutung von Interesse, denn mehr Licht bedeutet auch mehr Frohsinn (es ist ja bekannt, dass bei bedrückter Stimmung Lichttherapie helfen kann). Somit ist Helios primär ein Gott der Freude - "freudig verleihe meinem Leben Zufriedenheit" heisst es in der homerischen Hymne - und der Zufriedenheit, ja der persönlichen Harmonie, was auch seine Gleichsetzung mit Apollon in späterer Zeit zum Ausdruck bringt, der ja der Ausgleich schlechthin ist. Auch das Verteilen von Geschenken zu diesem Anlass drückt aus, dass man Freude macht und selbst Freude erhält, so wie eine innige Beziehung zu Helios, eine Kontemplation seiner Persönlichkeit, in uns die Erkenntnis reifen läßt, dass sein Licht, seine Lebensfreude, sein Friede weiter gegeben werden kann an andere Menschen, dass die Hoffnung, die durch die immer wieder kehrende "Geburt der Sonne" ausgedrückt wird, auch für uns Hoffnung sein kann und dass, da die Sonne für alle leuchtet, aus Sicht der kosmischen Ordnung kein Unterschied zwischen den Menschen besteht. Wir können viel von Helios lernen, wenn wir es nur zulassen.
Helios-Hymnen
übersetzt von Ewald K Strohmar (Akesios)
Homerische Hymne Nr.31: Eis Helion
Beginne Helios zu preisen, den Sohn des Zeus, o Muse
Kalliope, den Strahlenden, den Euryfaessa, die Kuhäugige,
dem Sohn der Gaia und dem sterntragenden Ouranos gebar:
denn Hyperion heiratete die prächtige Euryfaessa,
seine eigene Schwester, sie gebar ihm wunderschöne Kinder,
Eos mit rosigen Armen, die schöngelockte Selene,
der unermüdliche Helios aber, den Unsterblichen ähnlich,
bringt bei den Sterblichen und den unsterblichen Göttern alles ans Licht
nachdem er auf seinen Wagen gestiegen ist: schrecklich blicken seine Augen
aus dem goldenen Helm: helle Strahlen
glänzen rundherum von den Schläfen und dem Haar,
strahlen vom lieblichen Haupt, umgeben das Gesicht,
das weithin Leuchtende: auf seinem Körper leuchten schöne Kleider,
fein gearbeitet, vom Wind umweht: darunter kräftige Hengste.
er stellt den Wagen mit goldenem Joch und die Pferde zusammen,
und lenkt sie mit göttlichem Geschick vom Himmel über das Meer.
Sei gegrüßt, Herr, freudig verleihe meinem Leben Zufriedenheit.
Durch dich, den Beginn, rühmen die sterblichen Menschen dein Geschlecht,
des Halbgottes, der die Taten der Götter und Sterblichen aufzeigt.
Orphische Hymne Nr. 8: Eis Helion
Höre Seliger, allglänzende, ewige Erscheinung,
goldschimmernder Titan, Hyperion, Licht des Himmels,
Ursprünglicher, Unermüdlicher, Licht, das die Lebenden erblicken,
zur Rechten Erschaffer der Morgenröte, zur Linken der Nacht,
Mischung der Jahreszeiten, vierfüßig getanzt,
schneller Läufer, Brausender, Feuriger, mit heiterem Blick den Wagen lenkend,
du fährst deine Runde unermüdlich, folgst deinem Weg rundherum,
du weist den Frommen den Weg zum Guten, aber zürnst den Gottlosen,
goldene Leier, du lenkst den Lauf der Welt,
du belohnst die gute Tat, Jüngling, der die Horen nährt,
Herr der Welt, Flötenspieler, Feuerläufer auf der Kreisbahn,
Feuerträger, Vielgestaltiger, Träger des Lebens, Fruchtbringer, Paian,
Flammender, Unbefleckter, Vater der Zeit, unsterblicher Zeus,
Heiterer, Weit leuchtender, allumfassendes Auge der Welt,
mal löscht du die Lampe, mal entzündest du deine schönen Strahlen,
du zeigst uns die Gerechtigkeit, Freund der Quellen, Herr des Kosmos,
Hüter der Redlichkeit, ewig alles Überragender, allen hilfreich,
Auge der Gerechtigkeit, Licht des Lebens. O Wagen,
der mit laut knallender Peitsche das Viergespann antreibt,
erhöre die Worte, und eröffne uns ein angenehmes Leben.